Ein noch anderer Schöpfungsmythos

August 18th, 2008

Am Anfang suchten die Biotechniker eines fernen Planeten eine Werkstatt zum ungestörten Basteln und fanden die Erde. Aber sie war ohne Land, nur halbtief seichtes Wasser, rund herum. Und ein Kilometer dicker Nebel überall. Sonst gar nichts. Sie hielten Sitzung und entschlossen sich, trotzdem zu bleiben. Dies war der erste Tag.

Sie buddelten sich einen runden Kontinent in der Mitte, dort wo das Klima gut war. So war die gerade trocken werdende Erde vom klebrigen Wasser-Nebel-Himmel-Gemisch getrennt. Dies war der zweite Tag.

Sie begannen, ihre Gentech-Experimente. Alle jene, für die auf ihrem Heimatplaneten ein ewig erneuertes Gentech-Moratorium jegliche vernünftiges Arbeiten verhinderte. Fleissig erbauten sie zuerst Halbfertigfabrikate, Teil ADN für Bio-Gewebe, Enzyme, Nervenschaltkreise, für rote Federn, blaue Augenpartikel, grüne Pflanzen-Sauerstoff-Fabriken, gelbe Bienenhaare. Einfach für alles, für jede mögliche Art von Bioreaktion. Und dann bauten sie wild drauflos alles zusammen. So vergingen die nächsten paar Tage.

Am Morgen des sechsten Tages war alles fertig. Sie hatten ein Paradies erschaffen, mit unzähligen Vögeln, Bäumen, Fischen, Blumen und Insekten. Alles verlief in selbständig sich ausbalancierenden Regelkreisen, mit einer Bio-Nische für jede lebendige Art. Diese Schöpfung war ein Meisterwerk, das sich selbständig erneuerte und ausbalancierte. Sie waren richtig stolz, darin liess sich gut wohnen.

Die Mehrheit meinte, das sei gut so und man dürfe jetzt mit dem Faulenzen beginnen. Sie teilten das Gebiet unter sich auf, jeder erhielt den ihm zustehende Teil und schon rekelten sich die ersten an einem Meeresstrand oder auf einer Blumenwiese.

Doch ein paar Querdenker konnten keine Ruhe lassen. Lasst uns den Menschen schaffen, nach unserem Ebenbild soll er sein. Die meisten der Biotechniker waren darüber verärgert. Sie hatten jetzt wohl genug geschuftet, fast eine ganze Woche lang. Sie zuckten die Schultern ob so viel Unsinn und liefen nur weg.

Ein paar fanden gar, dies sei Frevel. Schliesslich sei Gott sein eine schwierige Aufgabe und bedürfe der langen Meditation, jener, die das Gottsein erst ermögliche. Sie schimpften, falls diese Dummköpfe das Projekt durchziehen würden, kämen nur Roboter heraus. Also Maschinen ohne Seele. Sie behaupteten steif und fest, künstlich geschaffene Menschen könnten nie eine Seele haben. Sie drohten sogar, sie würden das Werk wieder vernichten, dann liefen sie ebenfalls weg.

Ein kleines Häufchen, darunter die Gescheitesten von ihnen meinten, so viel Paradies sei langweilig und machten sich an die Arbeit. Sie erschufen verschiedene Modelle, braune, schwarze, gelbliche, rötliche, man gab ihnen ein etwas grösseres Hirn, nannten sie ’Menschen’ und lehrten sie, sich selbst zu versorgen. Dann erhielt diese neu geschaffene Gruppe ein Stück Gebiet zugeteilt aus dem persönlichen Besitz ihrer Schöpfer, den Biotechnikern. Der sechste Tag ging gerade zu Ende und alle begaben sich zur Ruhe.

Am siebten Tag hätte Sonntag sein sollen, eben Ruhetag. Aber daraus wurde nichts. Wegen dem Krach unter den Biotechnikern. Denn das Modell Mensch war absichtlich halbfertig erschaffen worden, es gab deshalb einige Ausrutscher im Benehmen. Man hatte beweisen wollen, dass sie sich selbständigbis zum Biotechniker weiterentwickeln konnten. Darüber ärgerte sich die Mehrheit noch mehr, jene, die strickte gegen das Erschaffen von Menschen waren.

Dann aber fanden einige, die zuerst gegen die Erschaffung des Menschen gestimmt hatten, man könne aus ihnen doch gute, fleissige Roboter machen, die wenigstens etwas nützen würden. Das gefiel deren Schöpfern aber gar nicht. Jetzt wurden diese richtig wütend. Sie fanden, zukünftige Biotechniker hätten nicht zu arbeiten, sondern zu meditieren. Schliesslich einigte man sich darauf, diese Kreaturen leben zu lassen, nur um zu beweisen, dass es nicht ging. Oder im Gegenteil, es würde eben doch gehen – der diesbezügliche Krach dauert bis heute an.

Aber zuerst diskutierte man bloss. Tagelang, Jahrelang, unendlich, mit der Zeit wurde man handgreiflich. Man packte einige dieser Roboter und liess sie arbeiten. Man bestückte sie mit Programmen, einerseits für neue Fähigkeiten, andererseits zur Beschränkung von Fähigkeiten. Deren Schöpfer holten sich ihre Menschen zurück und lehrten sie neue Meditationen, um das gerade Erlebte zu verkraften. Dann beschützten sie sie, um weitere Raubzüge zu verhindern.

Jetzt erschufen sich die Gegner von Erschaffung von Menschen ihre eigenen Menschen. Als Roboter, willig und gehorsam, sanftmütig, besonders deren Frauen. Die schönsten unter ihnen wurden sogar als gelegentliche Gespielinnen benutzt. Dies erzürnte die den Menschen gutgesinnten Biotechniker enorm, sie wollten diese Gespielinnen befreien, scheiterten aber erbärmlich. Deren Besitzer hatten vorgesorgt.

Seither haben sich die Menschen ungemein vermehrt, wie Sand am Meer. Die Lage wurde immer unübersichtlicher. Dann einigte man sich auf einen halbherzigen Kompromiss: man entwickelte zwei Sorten von Menschengruppen. Eine kleine Gruppe erhielt alle Rechte von Halbgöttern. Sie durften sich ein wenig entwickeln, hatten für Recht und Ordnung zu sorgen, man unterstellten ihnen die übrigen Menschen, denen man Bescheidenheit befahl, nichts zu erwarten und ersteren zu dienen. Gott habe das so gewollt, was fast immer geglaubt wurde. Zuletzt zogen alle Biotechniker wieder weg, flogen heim und schienen die Erde und deren Halbfabrikate zu vergessen.

Bald hatten die Privilegierten unter den Erdenmenschen angefangen, ihre Privilegien zu übertreiben. Dies voraussehend, hatten die den Menschen gut gesinnten Biotechniker ihren Schützlingen die Fähigkeit zur Rebellion verstärkt vorprogrammiert. Als die Privilegierten immer unverschämter wurden begann die Mehrheit der Untertanen, diese Privilegien ebenfalls für sich zu beanspruchen.

Seither ist immer noch nicht endgültig bestimmt, was mit diesen Robotern, diesen Pinnocchios denn nun zu geschehen habe. Ein Grossteil der Biotechniker meint heute, dies doch den Menschen selber zu überlassen, ob sie sich weiterentwickeln wollen. Andere erwidern, dass die vielen widersprüchlichen Programme, mit denen sie von den verschiedenen Parteien bestückt worden waren, diese heute grosse Menschengruppe nur immer wieder in neue Kriege führen würde. Sie in diesem Zustand sich selbst zu überlassen sei menschenverachtend. Andere meinen, dass gerade dies die Menschen auffordere, zu meditieren, zu denken, zu beobachten und zu entscheiden, alle die Fähigkeiten zu entwickeln, welche ihnen selber gegeben seien.

Es scheint, da stehen wir noch heute.

(Geschrieben Ende der achziger Jahre).

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Frage einen Tag später: und wie werden wir selber uns später aufführen, als zukünftige, vollwertige Biotechniker?

Linked with Schöpfungsgeschichten, with Faits à l’image de Dieu, with Die ETs und wir, with Summary of my comments on this HBB.de-blog – Feb 2008, with My comments on the Hummanitarian.org-blog – Feb 2008.

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